Diese Art der Körperarbeit habe ich 1980-1986 bei Frieda Goralewski in Berlin kennengelernt. „Gora“, wie die Lehrerin von allen genannt wurde, war damals schon 86 Jahre alt und gab täglich vormittags und nachmittags ihre Unterrichtsstunden. Bis zu ihrem Tod 1989 mit 95 Jahren unterrichtete sie.

Sie war Schülerin von Elsa Gindler, die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die sogenannte Gymnastikbewegung mit gestaltete. Aus ihrer Schule gingen auch Ilse Middendorf, Sophie Ludwig und viele andere hervor, die die Arbeit auf ihre Weise weiterentwickelten.

Die meiste Zeit des Unterrichts lagen wir auf Goras rotem Teppich, um uns zu rekeln oder durch kleine, feine Bewegungen unseren Körper kennenzulernen und durchlässiger zu werden. Wir übten das Aufstehen, das Sitzen, das Gehen, das Spüren der Schwerkraft.

Ohne wirklich zu verstehen, was dabei passierte, bewirkte dieses Üben große Veränderungen in meinem Leben. Ganz langsam wurde ich mit meinem Körper vertrauter, als hätte ich ihn bis dahin gar nicht wirklich bewohnt. Mein Leben bekam eine andere Ausrichtung. Gora zeigte uns, wie unser Alltagshandeln wirkungsvoller wird, wenn es mit weniger Kraftanstrengung geschieht.

In dieser Körperarbeit geht es darum, durchlässiger zu werden für den Atem. Der Atem geschieht am leichtesten ohne unser Zutun. Wir brauchen nur das Geschehen-lassen zu üben. Unmerklich wird damit auch das Vertrauen gestärkt, das Vertrauen in den eigenen Körper, das Vertrauen in den Atem, ja das Vertrauen ins Leben. Wenn der Körper durchlässiger wird, fühlen wir uns wacher und lebendiger und es kann von innen her eine größere Lebensfreude entstehen.